

Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen zeichnet sich ab
In Israel hat sich am Sonntag eine Ausweitung des Militäreinsatzes im Gazastreifen abgezeichnet. Am Abend sollte das Sicherheitskabinett der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zusammentreten und über entsprechende Pläne beraten, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Regierungskreisen erfuhr. Zugleich wurden laut Medienberichten zehntausende Reservisten einberufen. Am Sonntagmorgen schlug durch Raketenbeschuss der jemenitischen Huthi-Miliz nahe dem wichtigsten internationalen Flughafen des Landes in Tel Aviv ein Geschoss ein.
Die nun einberufenen Reservisten sollen laut Medienberichten in Israel und im besetzten Westjordanland stationierte Soldaten ersetzen, damit diese zu Kampfeinsätzen in den Gazastreifen geschickt werden können. Ein Armeesprecher bestätigte die Berichte auf AFP-Anfrage nicht, er dementierte sie jedoch auch nicht. Verwandte von AFP-Journalisten bestätigten aber, dass sie einen Befehl zur Mobilisierung erhalten hätten. Das israelische Sicherheitskabinett sollte am Abend um 19.00 Uhr (Ortszeit, 18.00 Uhr MESZ) zusammenkommen.
Israel hatte Mitte März nach einer knapp zweimonatigen Waffenruhe seine massiven Luftangriffe auf Hamas-Ziele im Gazastreifen wieder aufgenommen. Die israelische Armee startete zudem eine neue Bodenoffensive. Armeechef Ejal Samir hatte in der vergangenen Woche mit einer Ausweitung der Offensive gedroht, sollten die von der Hamas am 7. Oktober 2023 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppten Israelis nicht bald freigelassen werden. Erklärtes Ziel der israelischen Regierung ist es, mit ihrer militärischen Offensive den Druck auf die Hamas für eine Freilassung der Geiseln zu erhöhen.
Israels Ministerpräsident Netanjahu verschärfte zudem seine Rhetorik gegen das in der Vermittlung mit der Hamas aktive Golfemirat Katar. Er warf der katarischen Führung am Samstag im Onlinedienst X vor, "mit seiner Doppelzüngigkeit beide Seiten auszuspielen". Katar müsse sich "entscheiden, ob es auf der Seite der Zivilisation oder auf der Seite der Hamas-Barbarei" stehe.
Katar wies Netanjahus Vorwürfe umgehend zurück. Das katarische Außenministerium schrieb auf X von "provokanten" Äußerungen Netanjahus, die nicht einmal "den grundlegendsten Standards politischer und moralischer Verantwortung" entsprächen. Katar ist neben Ägypten und den USA ein wichtiger Vermittler bei den Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen. Das Golfemirat beherbergt nicht nur den größten US-Stützpunkt im Nahen Osten, sondern auch das Politbüro der im Gazastreifen herrschenden Hamas.
Katar hatte zusammen mit den USA und Ägypten eine im Januar in Kraft getretene Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen vermittelt. Diese lief im März aus. Bemühungen um eine neue Waffenruhe und die Freilassung der noch immer von der Hamas festgehaltenen Geiseln waren bislang erfolglos.
Am Samstag veröffentlichte die Hamas ein neues Geisel-Video. In der rund vierminütigen Aufnahme ist ein Mann zu sehen, der am Kopf und am linken Arm bandagiert ist. Die Nachrichtenagentur AFP identifizierte ihn ebenso wie israelische Medien als den 36-jährigen Maxim Herkin. Der aus der Ukraine stammende 36-Jährige war am 7. Oktober 2023 von der Hamas bei deren Überfall auf das Nova-Musikfestival im Süden Israels entführt worden.
Die Hamas und mit ihr verbündete Palästinensergruppen hatten am 7. Oktober 2023 bei ihrem beispiellosen Angriff auf Israel rund 1200 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Allein beim Nova-Festival töteten Hamas-Mitglieder und ihre Verbündeten bei Massakern mindestens 370 junge Menschen. 58 Geiseln befinden sich weiterhin in der Gewalt der Islamisten, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee tot. In Tel Aviv demonstrierten am Samstagabend erneut mehrere tausend Menschen für eine Vereinbarung zur Rückkehr der Geiseln.
Am Sonntagmorgen schlug unterdessen nahe dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv ein Geschoss ein. Wenig später reklamierte die von der iranischen Regierung finanzierte Huthi-Miliz einen Angriff mit einer ballistischen Hyperschall-Rakete auf den wichtigsten israelischen Flughafen für sich. Der Angriff sei eine "Geste der Solidarität" mit den Palästinensern im Gazastreifen.
Die israelische Polizei bestätigte einen "Raketeneinschlag" mehrere hundert Meter vom Ben-Gurion-Flughafen entfernt. Israelischen Medien zufolge untersuchten die Ermittler aber zunächst noch, ob direkt die aus dem Jemen abgefeuerte Rakete oder eine israelische Luftabwehrrakete den Einschlag verursachte.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz kündigte einen massiven Vergeltungsangriff an. "Wer uns trifft, wird siebenmal stärker getroffen", erklärte Katz am Sonntag in einer knappen Mitteilung. Der bewaffnete Flügel der Hamas begrüßte den Angriff der Huthis indes. Dem Jemen gebühre "Ruhm" dafür, dass es seine Angriffe auf Israel verstärke, schrieben die Al-Kassam-Brigaden.
Nach dem Angriff setzte die Lufthansa ebenso wie andere Airlines bis einschließlich Dienstag ihre Flüge nach Tel Aviv aus und begründete dies mit der "aktuelle(n) Situation". Betroffene Gäste würden benachrichtigt und bei Verfügbarkeit auf alternative Flüge umgebucht.
C.Maier--MP