

Zurückweisungen von Geflüchteten weiter strittig - Grüne zweifeln an Rechtmäßigkeit
Die von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angeordneten Zurückweisungen auch von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen bleiben umstritten. Die Grünen verlangen von Dobrindt Auskunft über Rechtsgrundlagen und genauen Inhalt der entsprechenden Anweisung Dobrindts nach seinem Amtsantritt am Mittwoch. Diese wird laut Bundespolizei inzwischen umgesetzt.
"Die neue Bundesregierung hat sich dafür entschieden, auf eine Symbolpolitik zu setzen, die Europa schadet und Recht bricht", sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Grünen wollen demnach von Dobrindt unter anderem wissen, ob es sich bei den Zurückweisungen um eine Pflicht oder eine Kann-Bestimmung handelt, wer gegebenenfalls darüber entscheidet und inwiefern diese mit EU-Recht vereinbar sind.
"Das Vorgehen von Merz und Dobrindt ist ein klarer Affront gegenüber unseren europäischen Partnern und sorgt für ein peinliches Durcheinander", kritisierte Emmerich im RND. "Statt auf mehr Zusammenarbeit setzt die Bundesregierung auf Abschottung und Alleingänge und fabriziert Chaos an den Grenzen", warf er Union und SPD vor.
Gewerkschaften der Bundespolizei hatten zuvor mitgeteilt, der Erlass Dobrindts werde unabhängig von einer zu erwartenden späteren rechtlichen Prüfung zunächst umgesetzt. Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" wurden am Donnerstag und Freitag mindestens 19 Geflüchtete trotz eines Asylersuchs an deutschen Grenzen abgewiesen. Das Blatt berief sich auf eine erste Bilanz der Bundespolizei. Vier Geflüchtete wurden demnach als "vulnerabel" eingestuft und ihnen die Einreise ermöglicht.
"Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Roßkopf, der "Bild"-Zeitung vom Samstag. Die Weisung des Bundesinnenministers sei "für die Beamten an der Grenze bindend".
Roßkopf widersprach damit vorherigen Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Bei seinem Antrittsbesuch am Freitag in Brüssel hatte Merz betont, Deutschland kontrolliere "in etwa so wie während der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr". Bei diesen Kontrollen hatte die Bundespolizei aber keine Asylsuchenden zurückgewiesen, weil diese Praxis nach Ansicht der damaligen Bundesregierung gegen EU-Recht verstoßen hätte.
Dobrindt will mit den verschärften Grenzkontrollen die Zahl einreisender Geflüchteter verringern. Der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg forderte dazu im Düsseldorfer "Handelsblatt" eine Stellungnahme von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). "Als Hüterin des Rechtsstaates darf sie nicht schweigend daneben stehen, während ihr Kabinettskollege Recht und Gesetz mit Füßen tritt", verlangte Limburg.
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch wies in der "Rheinischen Post" darauf hin, "dass jedes Vorgehen nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten möglich ist". Dies gelte weiterhin. Etwa in Polen stößt die deutsche Zurückweisungspraxis jedoch teils auf erheblichen Widerstand.
Auch der frühere SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mahnte im Deutschlandfunk zu europäischen Lösungen und zur Rücksicht auf Nachbarstaaten. Deutschland dürfe nicht aus innenpolitischen Gründen europapolitische Erfolge gefährden.
Zudem müsse Deutschland auch weiterhin "Menschen aufnehmen aus humanitären Gründen", sagte Mützenich. Er verwies auch auf dazu zu erwartende Gerichtsentscheide. Der SPD-Politiker drang auf die Umsetzung der Beschlüsse für ein gemeinsames europäisches Asylsystem, das Aufnahmeverfahren an den Aufnahmegrenzen und eine Verteilung von Schutzberechtigten in Europa vorsieht.
Für einen pragmatischen Ansatz warb der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU). "Grenzkontrollen sind sicherlich nicht die Lösung für alle Migrationsfragen, sind aber umgekehrt auch nicht als Abgesang auf Europa ideologisch zu verteufeln", sagte er der "Kölnischen Rundschau". Wichtig sei allerdings ein unkomplizierter Grenzübertritt für Fracht, Gewerbe und Privat-Fahrer.
Scharfe Kritik an der verschärften Asyl- und Migrationspolitik der Regierung übte auf dem Chemnitzer Parteitag der Linken deren Bundestags-Fraktionschef Sören Pellmann. "Wer aus Angst vor den Rechten rechte Politik macht, der kann nur verlieren", sagte er. Dagegen werde die Linke Widerstand leisten.
D.Richter--MP