

EU oder Russland: Richtungsweisende Parlamentswahl in Moldau
Schicksalswahl in Moldau: In der ehemaligen Sowjetrepublik haben die Bürgerinnen und Bürger am Sonntag über ein neues Parlament und damit auch über eine weitere Annäherung an die EU oder eine Hinwendung zu Russland abgestimmt. Der Urnengang wird überschattet von Vorwürfen von Staatschefin Maia Sandu und der EU-Kommission, Russland versuche massiv, die Wahl zu seinen Gunsten zu beeinflussen. In den meisten Umfragen hatte zuletzt Sandus pro-europäische Partei PAS geführt, der Wahlausgang ist dennoch völlig offen.
Sandu hatte die Parlamentswahl vorab als "die wichtigste in der Geschichte" Moldaus bezeichnet. Nach ihrer Stimmabgabe in der Hauptstadt Chisinau sagte die Präsidentin, ihr Land sei in "Gefahr": "Wenn die Moldauer nicht ausreichend mobilisiert werden und wenn die russische Einmischung bedeutende Auswirkungen auf unsere Wahl hat, könnte Moldau alles verlieren, was es gewonnen hat, und dies könnte auch ein bedeutendes Risiko für andere Länder wie die Ukraine bedeuten."
Die Staatschefin des an die Ukraine grenzenden Landes warf Moskau erneut "massive Wahlbeeinflussung" vor, für die hunderte Millionen Euro gezahlt würden. In den Wochen der Wahl hatte es hunderte Razzien wegen mutmaßlicher Wahlmanipulation und "Destabilisierungsversuchen" gegeben, dutzende Verdächtige wurden festgenommen. Auch die EU-Kommission sprach von einer "beispiellosen Desinformationskampagne" Russlands.
Moskau weist die Vorwürfe zurück. Die pro-russische Opposition wirft ihrerseits der regierenden PAS vor, einen Wahlbetrug zu planen. Für Montag hat der sozialistische Oppositionspolitiker und Ex-Präsident Igor Dodon eine Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt Chisinau angekündigt, "um die Ergebnisse der Wahl zu verteidigen".
Anfang der Woche hatte Dodon in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP gesagt, er würde bei einem Wahlsieg die Verhandlungen mit der EU fortsetzen, aber auch "die Beziehungen zur russischen Föderation wiederherstellen". Das Regierungslager warnt, im Falle einer pro-russischen Regierung drohten die Moldauer für den russischen Krieg in der Ukraine instrumentalisiert zu werden.
Die ehemalige Sowjetrepublik Moldau, die seit Juni 2024 offiziell über einen EU-Beitritt verhandelt, zählt weiterhin zu den ärmsten Ländern Europas. Die Unzufriedenheit unter den rund 2,4 Millionen Bürgerinnen und Bürgern wächst, seit ihrem deutlichen Wahlsieg 2021 hat Sandus PAS an Boden verloren. Der oppositionelle Patriotische Block wirft der Regierungspartei vor, durch den Bruch mit Moskau die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die Gaspreise in die Höhe getrieben zu haben.
"Ich will höhere Löhne und Renten", sagte der 51-jährige Schweißer Wasil, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte, AFP in einem Wahllokal in Chisinau. Er wolle, "dass die Dinge so weitergehen wie während russischer Zeiten". Die 68-jährige Paulina Bojoga sagte, sie wünsche sich, dass Moldau "zu anderen europäischen Ländern aufschließt, denn Europa hat alles, was wir brauchen". Die Rentnerin, die früher in Italien gelebt hatte, räumte zugleich ein: "Die Sache steht auf Messers Schneide."
Die Wahllokale sollten am Sonntag um 21.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MESZ) schließen, erste Ergebnisse sollten noch vor Mitternacht veröffentlicht werden. Um die 101 Parlamentssitze bewarben sich etwa 20 Parteien sowie einige unabhängige Kandidaten. Die moldauische Wahlkommission hatte am Freitag zwei pro-russische Parteien wegen Unregelmäßigkeiten bei ihren Finanzen ausgeschlossen.
Der Wahlausgang sei "sehr schwer vorherzusagen", sagte Igor Botan von der moldauischen Denkfabrik Adept. Es sei jedenfalls "sehr wahrscheinlich", dass nach der Wahl Verhandlungen zwischen den Parteien notwendig seien.
Für das Wahlergebnis wird auch die Wahlbeteiligung entscheidend sein - insbesondere bei den mehr als eine Million im Ausland lebenden Moldauern, die eher pro-europäisch eingestellt sind, sowie in der abtrünnigen Region Transnistrien, wo das pro-russische Lager dominiert.
W.F.Walter--MP