

Gewalttätige Proteste in Madagaskar mit 22 Toten: Präsident entlässt Regierung
Nach tagelangen Protesten in Madagaskar mit mehr als 20 Toten hat der Präsident des Inselstaats, Andry Rajoelina, die Regierung entlassen. Gemäß der Verfassung habe er beschlossen, die Ämter des Regierungschefs und der anderen Regierungsmitglieder zu beenden, sagte Rajoelina am Montag in einer Fernsehansprache. Nach Angaben von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk wurden seit Beginn der Proteste gegen ständige Stromausfälle und Wasserknappheit mindestens 22 Menschen getötet.
Rajoelina erklärte, er habe die Anliegen der Menschen zur Kenntnis genommen. "Wenn das madagassische Volk leidet, möchte ich Ihnen versichern, dass ich diesen Schmerz ebenfalls spüre", sagte er. Er bemühe sich, Lösungen zu finden und die Situation zu verbessern.
Der Präsident hatte die Auflösung der Regierung zuvor angekündigt. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bliebe das Kabinett geschäftsführend im Amt.
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk äußerte sich in einer Erklärung seines Büros "schockiert" über die "gewaltsame Reaktion der Sicherheitskräfte" auf die Proteste, die am Donnerstag begonnen hatten. Zu den Opfern zählen demnach Demonstranten und Passanten, die von den Sicherheitskräfte getötet wurden.
Unter den Getöteten waren Türk zufolge aber auch Menschen, "die bei den darauf folgenden gewalttätigen Ausschreitungen und Plünderungen ums Leben kamen". Diese Ausschreitungen seien "von Einzelpersonen und Banden verübt" worden, die "nichts mit den Demonstranten zu tun hatten". Türk zufolge wurden zudem mehr als hundert weitere Menschen verletzt. Die Regierung wies die UN-Angaben als unbestätigt und "auf Gerüchten beruhend" zurück.
Auslöser der Proteste waren regelmäßige Stromausfälle, bei denen Haushalte und Geschäfte oft mehr als zwölf Stunden am Tag ohne Elektrizität waren, sowie Probleme bei der Wasserversorgung. Bei den Protesten waren Banken und Geschäfte geplündert und in Brand gesetzt worden, auch die Häuser regierungstreuer Parlamentsabgeordneter wurden angezündet.
Am Montag gingen in mehreren Städten des Landes erneut Menschen auf die Straße, darunter in der Hauptstadt Antananarivo, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.
Viele der Protestteilnehmer in der Hauptstadt waren schwarz gekleidet und forderten den Rücktritt des Präsidenten. Einige Demonstranten hielten Schilder mit dem Slogan "Wir wollen leben, nicht überleben" in die Höhe - eine zentrale Forderung der unter dem Namen "Gen Z" zusammengeschlossenen Protestbewegung.
Die Polizei nahm während des Marsches in Antananarivo einen oppositionellen Abgeordneten fest, wie Aufnahmen in Onlinediensten zeigten. Kollegen forderten daraufhin seine Freilassung. Mindestens ein weiterer Demonstrant wurde ebenfalls festgenommen. Türk appellierte daraufhin an die Behörden, "die Achtung der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten".
Am späten Sonntagabend hatte die Protestbewegung eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die Regierung und der Präfekten von Antananarivo zum Rücktritt aufforderte. Die Kritik der "Gen Z" zielte auch auf dem Präsidenten nahestehende Regierungsvertreter ab, darunter Ministerpräsident Christian Ntsay.
Präsident Rajoelina war 2009 nach einem Putsch gegen den früheren Staatschef Marc Ravalomanana an die Macht gekommen. Ende 2023 wurde er bei einer von der Opposition boykottierten Wahl für eine dritte Amtszeit bestätigt. Das vor der afrikanischen Ostküste liegende Madagaskar gehört trotz seiner vielen natürlichen Ressourcen zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast 75 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze.
A.Meyer--MP