Selenskyj: Ukraine braucht EU-Entscheidung über Finanzierung vor Jahresende
Angesichts der Debatte in der EU über die künftige Finanzierung der Ukraine-Hilfe hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zur Eile gemahnt. Die Entscheidung müsse "bis Ende dieses Jahres" getroffen werden, sagte Selenskyj am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs diskutierten bei ihrem Dezember-Gipfel die Nutzung der in Europa eingefrorenen russischen Vermögen für ein sogenanntes Reparationsdarlehen für die Ukraine.
Selenskyj reiste am Donnerstag in die belgische Hauptstadt, um die EU von der Verwendung der russischen Zentralbankgelder zu überzeugen. Die Mitgliedstaaten verhandeln seit Monaten über einen entsprechenden Vorschlag der Kommission. Dieser sieht vor, dass die EU sich die rund 200 Milliarden Euro russischer Guthaben leiht und davon 90 Milliarden Euro als Kredit an die Ukraine weitergibt.
Kiew müsste das Geld demnach erst zurückzahlen, wenn es Reparationszahlungen aus Moskau erhalten hat. Russland hätte erst wieder Zugriff auf das zum größten Teil beim in Brüssel ansässigen Unternehmen Euroclear gelagerten Geld, wenn die EU ihre Sanktionen gegen das Land aufhebt.
Die EU geht davon aus, dass die Ukraine für die nächsten zwei Jahre ein Finanzierungsloch von rund 135 Milliarden Euro stopfen muss. Demnach droht dem Land bereits ab April das Geld auszugehen. Die EU hatte sich bis zu ihrem Dezember-Gipfel Zeit gegeben, über die Finanzierung der Ukraine-Hilfe zu entscheiden. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland, möchte die russischen Vermögen dafür nutzen.
Der belgische Premier Bart De Wever fürchtet allerdings finanzielle und rechtliche Konsequenzen sowie russische Vergeltung gegen sein Land und verlangt verbindliche und langfristige Garantien der andern Mitgliedstaaten. Für eine Entscheidung reicht eine qualifizierte Mehrheit der EU-Länder. Es gilt politisch jedoch als ausgeschlossen, eine Entscheidung ohne die Zustimmung Belgiens zu fällen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zeigte Verständnis für die belgischen Bedenken, betonte aber, er sehe "keine bessere Option" als das Reparationsdarlehen. Sein Eindruck sei, "dass wir zu einem Ergebnis kommen können". Ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter sagte nach Beginn der Gespräche, es gebe "Bewegung" in "die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht da".
Selenskyj hatte vor dem Gipfel erklärt, fall keine Einigung erzielt werde, wäre dies "ein großes Problem für die Ukraine". Ein Stopp der europäischen Ukraine-Hilfe sei gefährlicher als die Nutzung der russischen Vermögen. "Rechtliche Schritte" Moskaus seien "nicht annähernd so beängstigend, wie wenn Russland an den eigenen Grenzen steht", sagte er. Solange die Ukraine Europa verteidige, "müsst ihr der Ukraine helfen", forderte Selenskyj.
Der ukrainische Präsident verlieh zudem seiner Hoffnung Ausdruck, dass die USA nähere Angaben zu möglichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine machen. Er kündigte eine Fortsetzung der Gespräche zwischen Vertretern der Ukraine und der USA am Freitag und Samstag an. Für das Wochenende sind nach Angaben des Weißen Hauses auch Verhandlungen zwischen Vertretern der USA und Russlands zur Beendigung des Ukraine-Kriegs geplant.
Ein russisches Gericht wies unterdessen die größte noch in Russland aktive westliche Bank an, 339 Millionen Euro Entschädigung an das russische Unternehmen Rasperia zu zahlen. Die Raiffeisen Bank International (RBI) aus Österreich erklärte, der Betrag entspreche dem aufgrund der EU-Sanktionen in Wien eingefrorenen Vermögen des Unternehmens.
T.Murphy--MP