Münchener Post - "Wir müssen aufholen": EU soll im Digitalbereich Rückstand gutmachen

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"Wir müssen aufholen": EU soll im Digitalbereich Rückstand gutmachen
"Wir müssen aufholen": EU soll im Digitalbereich Rückstand gutmachen / Foto: John MACDOUGALL - AFP

"Wir müssen aufholen": EU soll im Digitalbereich Rückstand gutmachen

Europa ist beim Thema digitale Spitzentechnologie und KI spät dran - nach Lesart der deutschen und der französischen Regierung aber nicht zu spät. "Der Zug ist nicht abgefahren", versicherte Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) am Dienstag bei einem deutsch-französischen Digitalgipfel in Berlin. Zugleich räumte er ein: "Wir müssen aufholen."

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Im Bereich Cloud-Computing "haben wir vielleicht den Einstieg verpasst", sagte seine französische Amtskollegin Anne Le Hénanff. "Aber wir sind dabei, unsere eigene Cloud zu schaffen." Sie sei zuversichtlich, dass das klappe. "Und beim Thema KI liegen wir nicht zurück", versicherte die Französin.

"Wir müssen bereit sein, ein führender, auch global agierender Akteur zu sein, im digitalen Zeitalter mitzuspielen, bei KI, bei Datenmodellen", forderte Wildberger. Europa müsse sich mehr trauen. Denn KI bringe "natürlich Risiken mit sich. Aber die einzige Chance, die Risiken zu adressieren, ist auch die Technologie selber zu beherrschen."

"Digitale Souveränität" ist das Schlagwort: Europa ist zu abhängig von US-Softwareanbietern und chinesischen Hightech-Produkten und Rohstoffen. Auf dem Weg zu größerer Unabhängigkeit fordern Berlin und Paris zunächst weniger Vorgaben aus Brüssel. Die bei Unternehmen unbeliebte Datenschutzgrundverordnung soll gelockert und bei der KI-Regulierung einen Gang zurückgeschaltet werden.

Datenschutz, Sicherheit und Grundrechte von Bürgerinnen und Bürger und das Thematisieren von Risiken der KI stünden zwar "nicht zur Disposition", versicherte Wildberger. Doch aktuell verhindere die Regulierung Innovation. EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen versicherte, die Vision zu teilen: "Das Ziel Europas ist ganz einfach: Wir wollen bei KI und Spitzentechnologien eine Führungsrolle übernehmen und nicht nur folgen", sagte sie in Berlin.

Die EU-Kommission will am Mittwoch ihre Pläne für einen Kurswechsel in der Digitalgesetzgebung bekanntgeben - ein schmaler Grat, denn viele der EU-Digitalgesetze wurden explizit mit Blick auf die Dominanz der US-Konzerne konzipiert. Wildberger hofft auf einen Wettbewerbsvorteil, wenn es gelingt, Innovation und "europäische Werte" zusammenzubringen.

Virkkunen kündigte außerdem an, eine Verschärfung der Wettbewerbsregeln für die Cloud-Dienste von Amazon und Microsoft zu prüfen. Die beiden Anbieter könnten in Zukunft unter das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) der EU fallen, sagte sie. Brüssel könnte den Wettbewerb zwischen Cloud-Diensten dann strenger kontrollieren. Die französische Regierungsvertreterin Le Hénanff begrüßte dies explizit.

Die Abhängigkeit von US-Konzernen hat auch im Zuge der Präsidentschaft von Donald Trump weiter an Brisanz gewonnen. Trotz der daraus resultierenden transatlantischen Spannungen hieß es von französischer Seite, dass nicht um eine "Konfrontation" mit den Vereinigten Staaten oder auch China gehe, sondern vielmehr um den Schutz "unserer grundlegenden Souveränität".

Im Detail sind auch Deutschland und Frankreich sich an einigen Stellen nicht einig. Frankreichs Regierungsvertreterin Le Hénanff etwa forderte eine klare Bevorzugung heimischer Unternehmen. "Wir tun dies für die Automobilindustrie, warum also nicht auch für den europäischen Digitaldienst?", sagte sie. Deutschland sehe das nicht so, zumindest nicht "im gleichen Maße", fügte sie hinzu.

Wildberger verwies darauf, dass zumindest in seinem Ministerium bereits die Kriterien für öffentliche Ausschreibung erweitert worden seien. Es gehe jetzt nicht mehr nur um die Kosten, sondern etwa auch um Fragen wie die Lokalisierung der Daten oder der Verschlüsselung. "Sicherlich lädt das viele Anbieter aus Europa ein, da eben mitzumachen".

Am Dienstagnachmittag waren noch Reden und eine Pressekonferenz von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie ein Runder Tisch mit Wirtschaftsvertretern geplant. Erwartet wurden dabei Investitions- und Kooperationsankündigungen vor allem von deutschen und französischen Unternehmen. Etwa will der Softwarekonzern SAP mit dem französischen KI-Startup Mistral zusammenarbeiten. Weitere wichtige Bereiche sind die Rüstungsindustrie und das Quantencomputing.

P.Walsh--MP